Im Rahmen der Digitalprojekte „Schätze der Leopoldstadt“ stellen wir hier die Kauffmann-Orgel der Evangelischen Kirche A.B. Am Tabor vor:
Die im Pfarrgebiet Wien-Leopoldstadt und Brigittenau gelegene evangelisch-lutherische Verklärungskirche wurde gemeinsam mit dem angrenzenden Pfarrhaus von den Architekten Sigfried Theiss und Hans Jaksch entworfen und nach einer etwa vierzehnjährigen Bauzeit im Jahr 1926 schließlich eröffnet.
Die Orgel der Verklärungskirche wurde vom Wiener Orgelbauer Johann Marcellinus Kauffmann (1910 – 1965) erbaut und im Jahr 1962 fertiggestellt. Die Orgelbaufirma wurde bereits zwei Generationen vor Johann Marcellinus von dessen Großvater Johann Marcell gegründet und baute vorwiegend Orgeln für den Raum rund um Wien (darunter auch die frühere „Riesen-Orgel“ des Wiener Stephansdoms zwischen 1956 und 1960).
Das Instrument der Verklärungskirche verfügt über zwei jeweils aus 56 Tasten bestehende Manuale (Hauptwerk und Schwellwerk) und einer 30-tönigen Pedalklaviatur („Pedal“). Jedes der drei Werke besitzt eigene Register, worunter man Pfeifenreihen aus Holz bzw. Metall diverser Bauarten versteht. Die Gesamtauflistung aller Register inklusive Angaben zur Manualverteilung sowie weiterer technischer Details einer Orgel wird auch Disposition genannt. Diese setzt sich bei der 27-registrigen Kauffmann-Orgel aus jeweils acht Register für Haupt- und Schwellwerk sowie aus elf Register für das Pedal zusammen. Die Pfeifen des zweiten Manuals stehen in einem Schwellkasten. Durch das Betätigen des Schwelltrittes mit dem Fuß werden die Jalousien des Schwellkasten geöffnet bzw. geschlossen wodurch die Lautstärke zu- bzw. abnimmt.
Verschiedene Registerkombinationen können per Knopfdruck anhand von Spielhilfen abgerufen werden. Diese Kombinationen in Form von Knöpfen befinden sich unterhalb des ersten Manuals und können in der Praxis sogar während des Spielens mit dem Daumen betätigt werden.
Erwähnenswert ist außerdem die elektro-pneumatische Traktur dieser Kauffmann-Orgel. Unter Traktur versteht man die Verbindung zwischen Taste und Spielventil – diese kann mechanisch, pneumatisch oder elektrisch erfolgen. Nachdem um 1900 die mechanische großteils durch die pneumatische Traktur abgelöst worden war, wurde letztere ca. ein halbes Jahrhundert später weiter überholt. Durch das Hinzufügen elektrischer Elemente kam es zu keinen Verspätungen mehr zwischen Tastendruck und Pfeifenansprache.
Mit der „Orgelbewegung“ um 1960 kehrte man zurück zur mechanischen Traktur und die (elektro-) pneumatische Traktur gilt mittlerweile als Geschichte. Dennoch zählt die Kauffmann-Orgel der evangelisch-lutherischen Verklärungskirche in Wien-Leopoldstadt als ein Denkmal einer Wiener Orgelbautradition des 20. Jahrhunderts.
Textverfasser: MMag. Stefan Donner, Dez. 2022 – Organist/Pianist – www.stefandonner.org – https://www.youtube.com/user/mystefan87